Weiterschreiben, weiterlesen!

Text, bring mir morgen einen Schwarm goldener Bienen ins Herz.
–Wolfram Lotz, Heilige Schrift I

Es war der Verleger Michael Krüger, der gerade noch einmal auf den schönsten Bericht über eine verpatzte Lesung aufmerksam gemacht hat – kein geringerer als Franz Kafka schrieb über einen Auftritt des Kollegen Bernhard Kellermann: „Aus Langeweile über die Art des Vorlesens giengen die Leute trotz schlechter Spannung der Geschichte immerfort einzeln weg mit einem Eifer, als ob nebenan vorgelesen werde.“ Um das zu vermeiden, haben wir in den letzten Monaten ein Programm zusammengestellt, an dem Sie, liebe Leserinnen und Leser, eigentlich nicht vorbeikönnen. Wir freuen uns auf eine Woche, die die ganze Bandbreite dessen bietet, was Literatur will und kann – kühn und poetisch, literarisch klug, politisch.

Den Rahmen bilden die Auftritte der beiden wohl wichtigsten zeitgenössischen Autoren der seit Monaten im Krieg stehenden Ukraine: Serhij Zhadan, der Friedens- preisträger 2022, wird am Tag nach der Frankfurter Paulskirchen-Ehrung in Leipzig sein; Juri Andruchowytsch, an dessen mitreißende Gewandhaus-Rede anlässlich des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2006 sich viele erinnern werden, beschließt den Festival-Jahrgang. Dass die meistbeachteten Bücher des Jahres auch unverschämt gut unterhalten können, beweisen Daniela Dröscher und Eckhart Nickel. Mit ihnen haben wir zwei ernsthafte Kandidaten für den Deutschen Buchpreis zu Gast – lassen Sie sich solche Begegnungen zum Preis eines guten Glas Weins nicht entgehen.

Neben bewährten Herbst-Formaten wie „Beste erste Bücher“, dem „Lyrikhotel“ oder dem Campus-Programm mit der Literaturzeitschrift Edit freuen wir uns auf neue Kooperationen, neue Orte: Mit Fiston Mwanza Mujila wird ein im Kongo gebürtiger Grazer in der Schaubühne Lindenfels für Österreich, das Buchmesse-Gastland 2023, vorglühen. Helmut Lethen, einer der Mitbegründer der Kulturwissenschaft in Deutschland, spricht in der Albertina mit Jörg Magenau über die Faszination des Bösen. Lucy Fricke erzählt in der Stadtbibliothek von der Krise der Diplomatie. Friedrich Ani und Sybille Ruge haben ihre aktuellen Krimis im Gepäck. Und wenn der SZ-Journalist Joachim Hentschel mit Marion Brasch über die politischen Dimensionen von Pop-Musik im deutsch-deutschen Verhältnis diskutiert, dürfte es am naTo-Tresen spät werden.

Wer still liest, folgt einem Autor, einer Autorin. Wer sich zum Literarischen Herbst aufmacht, trifft sie auch. Wir sind gespannt auf unseren vierten Streich. Und freuen uns auf Sie, auf Euch, unsere neugierigen Gäste.

Jörn Dege, Nils Kahlefendt, Anja Kösler und Claudius Nießen